„Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“ (§ 142 StGB) – wie verhalte ich mich richtig?

Darmstädter Echo vom 24.08.2010

Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, gemeinhin als „Fahrerflucht“ bekannt, ist ein Verkehrsdelikt mit hoher praktischer Bedeutung. Wenn man z. B. beim Einparken ein anderes Fahrzeug touchiert oder nachts an einem Verkehrsschild „hängen bleibt“ und weit und breit niemand zu sehen ist, kann man sich schnell falsch verhalten.

Glaubt man den Statistiken, folgt jedem fünften Unfall eine Fahrerflucht. Es handelt sich damit um das dritthäufigste Straßenverkehrsdelikt. Der obere Strafrahmen des § 142 StGB reicht bis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Zudem drohen die Entziehung der Fahrerlaubnis und der Eintrag von sieben Punkten in Flensburg.

Jeder Unfallbeteiligte ist verpflichtet, nach einem Verkehrsunfall mit Fremdschaden am Ort des Geschehens zu bleiben, um die Feststellung der Person, des Kraftfahrzeugs und der Art der Unfallbeteiligung zu ermöglichen. Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann. Auch Beifahrer, Fahrradfahrer oder sogar Fußgänger können Unfallbeteiligte sein. Sofern der jeweilige Geschädigte am Unfallort anwesend ist, muss der Unfallverursacher diesem seine Personalien mitteilen. Gerade aber in Situationen, in denen keine feststellungsbereite Person anwesend ist, ist es wichtig zu wissen, wie man sich gesetzeskonform verhält.

Entgegen einer weit verbreiteten Auffassung reicht es nicht, eine Nachrichtmit den eigenen Daten an die Windschutzscheibe des Geschädigten zu heften, da sich tatrelevante Umstände und die Art der Beteiligung sich dadurch häufig nicht mehr feststellen lassen würden. Man muss also zunächst seiner gesetzlichen Wartepflicht genügen.Da die Länge der Wartezeit gesetzlich nicht geregelt ist, muss man laut Rechtsprechung „eine den Umständen des Einzelfalls angemessene Zeit“ warten. Tageszeit, die Höhe des Schadens, die konkrete Unfallörtlichkeit sowie die Schwere des Unfalls werden berücksichtigt. Bei einem geringen Parkschaden kann eine Wartepflicht von ungefähr 20 Minuten ausreichen, wohingegen bei schwerwiegenden Unfallfolgen die Wartezeit durchaus mehrere Stunden betragen kann. Es ist auch ein weit verbreiteter Irrtum, dass man nach einem Unfall weiterfahren darf und es ausreicht, sich binnen 24 Stunden bei der Polizei zumelden. Der objektive Straftatbestand der Verkehrsunfallflucht ist damit schon erfüllt. Wer so verfährt, kann allenfalls auf Straffreiheit oder Strafmilderung hoffen. Nach Ablauf einer angemessenen Wartezeit ist der Unfallbeteiligte verpflichtet, die erforderlichen Feststellungen „unverzüglich“ zu ermöglichen. Er hat die Möglichkeit, einer nahen Polizeidienststellemitzuteilen, dass er an dem Unfall beteiligt war oder aber er erfragt über die jeweilige Zulassungsstelle Name und Anschrift des Geschädigten und setzt sich mit diesem in Verbindung, umdie erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen.

Bereits aus datenschutzrechtlichen Gründen kann Letzteres oftmals einen größeren Aufwand bedeuten. Um schon dem bösen Schein vorzubeugen und spätere Diskussionen zu vermeiden, empfiehlt sich daher bei jedemUnfallmit Fremdschaden spätestens nach Verstreichen der Wartefrist unverzüglich die nächstgelegene Polizeidienststelle anzurufen.

Verkehrsunfallflucht kann nur vorsätzlich begangen werden, d. h. der Unfallbeteiligte muss sich u. a. des Umstandes bewusst gewesen sein, dass er Unfallbeteiligter war. Dies führt in der Praxis oftmals zu Beweisschwierigkeiten der Ermittlungsbehörden und eröffnet dadurch gewisse Möglichkeiten für eine (erfolgreiche) Verteidigung. Nicht selten werden zu Fragen der Kollisionsbeteiligung, der Wahrnehmbarkeit und Fremdschäden Sachverständige zur Klärung von Einzelfragen hinzugezogen.

Der Nachweis des Vorsatzes kann dabei mittelbar durch den Nachweis der (visuellen, akustischen oder kollisionsmechanischen) Wahrnehmbarkeit geführt werden. Die bloße Ausrede, die Kollision gar nicht bemerkt zu haben, hilft daher vor Gericht in den seltensten Fällen weiter.

Fazit: Sofern sie beschuldigt werden, sich unerlaubt vom Unfallort entfernt zu haben, empfiehlt sich daher stets der Weg zum Rechtsanwalt.Die professionelle Verteidigung durch einen erfahrenen Verkehrsrechtsanwalt zahlt sich in der Regel aus.

Rechtsanwalt Carsten E. Jakob, Partner der Sozietät Wellmann & Kollegen, Darmstadt

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