Zur Wertbemessung bei Pferden

Die juristischen Fallkonstellationen, in denen die Bewertung von Pferden eine maßgebliche Rolle spielt, sind vielseitig. Nach Behandlungsfehlern durch Tierärzte, aber auch als Folge von Unfällen oder anderen Verletzungen des Tieres, stellt sich im Rahmen eines durchgeführten Schadensersatzprozesses die Frage nach der Wertbemessung. Letztlich wird das Gericht den Wert des Tieres zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses schätzen. Dabei geht es um eine Einschätzung, welchen Verlauf die Dinge ohne das schädigende Ereignis genommen hätten und wie sich die Vermögenslage des Klägers dann alternativ entwickelt hätte. Ein Schaden liegt vor, wenn der jetzige Wert des Vermögens des Klägers durch eine Pflichtverletzung des Beklagten geringer ist, als der gedachte Wert, den das Vermögen ohne das die Ersatzpflicht begründende Ereignis gehabt hätte.

Um dies beurteilen zu können, muss ermittelt werden, welchen Preis der Kläger aufwenden müsste, um ein vergleichbares Pferd erwerben zu können. Dabei spielen bereits erreichte Ausbildungsstufen und Turniererfolge eine Rolle, weiterhin sind aber auch die feststellbaren, prognosefähigen sonstigen Veranlagungen des Tieres ein wertbildender Maßstab. Bei hinreichender Darlegung und insbesondere nach Beweisantritt durch Vernehmung sachkundiger Zeugen, kann sich die Entwicklungsprognose über die möglicherweise noch bevorstehende Karriere eines Pferdes derart verdichten, dass es sogar zu einer Beweislastumkehr kommen kann. Dies erfordert jedoch einer sehr gute Dokumentation und rechtliche Würdigung des Einzelfalles. Dabei kann unter Umständen ein sogenanntes „Parteigutachten“ ein wichtiger Zwischenschritt sein.

Dem Gericht selbst fehlt in aller Regel die Sach- bzw. Fachkunde, um dieses komplexe Zusammenspiel von Faktoren alleine bewerten zu können. Daher wird es regelmäßig einen Sachverständigen hinzuziehen. Dieser nimmt eine umfassende Abwägung vor. Dabei wird er insbesondere das Alter, den Gesundheitszustand des Tieres, sein Ausbildungsniveau und bereits erzielte Erfolge berücksichtigen. Diese Einflüsse sind am besten greifbar und auch für das Gericht leicht nachvollziehbar.

Da seit Jahren junge Nachwuchspferde und auch Zuchthengste, insbesondere bei Auktionen aber auch im Rahmen von Verkäufen ab Hof zu Spitzenpreisen vermarktet werden, kommt der prognostischen Beurteilung von Entwicklungsmöglichkeiten von Pferden eine immer weiter steigende Rolle zu. Dazu gehören die verschiedensten Eigenschaften eines Pferdes, es stellt sich jedoch regelmäßig die Frage, wie gut sich diese – vor allem – im Nachhinein – dokumentieren lassen.

Bei Sportpferden kann die Qualität der Grundgangarten und die Rittigkeit, aber auch das Springvermögen und eine besonders gute Arbeitseinstellung einen weiteren Wertfaktor darstellen. Sind noch keine öffentlichen Vorstellungen erfolgt und damit keine Erfolge erzielt, so kann möglicherweise ein qualifizierter Trainer, ein Tierarzt oder ein Lehrgangsleiter mit besonderer Fachkunde als Zeuge angeboten werden. Für den geschädigten Pferdeeigentümer ist in diesem Zusammenhang wertvoll zu wissen, dass auch ein gerichtlich bestellter Gutachter – der den Ausgang des Prozesses maßgeblich entscheidet – in seinen Feststellungen erschüttert werden kann. Dazu reicht es jedoch nicht aus, eine andere Auffassung darzulegen. Denn das Gericht hat sich schließlich gerade deshalb eines Gutachters bedient, weil es kein Fachwissen in Bezug auf Pferdehaltung, - Zucht und Reitsport hat. Darum wird  es auch anders lautendem Vortrag nicht einfach folgen. Das Gericht überprüft in der Regel nur, ob der auf Grund seiner Qualifikationen ausgewählte Sachverständige aufgrund der zuvor durch das Gericht ermittelten und mitgeteilten Anknüpfungstatsachen glaubhafte und überzeugende Ausführungen gemacht hat. Daher kann das Gutachten nur mit Aussicht auf Erfolg angegriffen werden, wenn dem Gericht mitgeteilt wird, dass wesentliche Merkmale des Tieres nicht berücksichtig wurden oder, wenn die Ausführungen des Gutachters fachspezifisch anerkannten Grundsätzen zuwider laufen und die Fehleinschätzung über den Wert des Tieres hierauf beruht. So wäre es insbesondere ein Fehler, wenn der Gutachter den Wert des Pferdes als sehr gering einschätzt, obgleich etwa durch einen qualifizierten Berufstrainer dargestellt worden ist, dass das Pferd zwar aufgrund jungen Alters noch nicht an Wettbewerben teilgenommen hat, aber nach der Veranlagung des Tieres eine Karriere im Profisportbereich durchaus aussichtsreich war. Dennoch kann das Gutachten zu einem anderen Ergebnis kommen, jedoch ist dies nur dann unangreifbar, wenn der Gutachter zumindest alle ihm seitens des Gerichts gestellten Tatsachen in seine Überlegungen einbezogen und diese in nachvollziehbarer Weise in sein Ergebnis mit einbezogen hat.

Aufgrund der Komplexität eines jeden Einzelfalles und mit Hinblick auf die weitreichenden Folgen, die ein Sachverständigengutachten auf den Ausgang des Rechtsstreits hat, empfiehlt es sich, im Rahmen der Anspruchsbegründung, aber auch als Beklagter im Rahmen der Verteidigung gegen eine Klage stets einen Rechtsanwalt zu konsultieren, der auch fachspezifisch mit einem durch das Gericht hinzugezogenen Spezialisten auf Augenhöhe argumentieren kann.

Rechtsanwalt André Hascher

Kanzlei Wellmann & Kollegen, Darmstadt

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